tl/dr: Hervorhebungen von mir
Die Bauernproteste haben in den vergangenen anderthalb Wochen die Öffentlichkeit bewegt: Landwirt:innen blockierten bundesweit mit ihren Traktoren den Verkehr und hinderten Vizekanzler Robert Habeck daran, eine Fähre zu verlassen. Die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation nutzten die Gunst der Stunde, um ihrerseits auf Spielzeugtraktoren Straßen lahmzulegen. Die Methode ist dabei die gleiche: Beide Gruppen blockieren Straßen, Zufahrten, Autobahnen.
Dennoch werden die Proteste in der Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen. Woran das liegt, wird derzeit heftig diskutiert. Die Bauernproteste fänden mehr Zuspruch, weil sich Menschen anderer Berufsgruppen in ihnen wiedererkennen, heißt es. Oder: Die Letzte Generation ist so unbeliebt, weil sie auf ein vermeintlich abstraktes Problem hinweist: die Klimakrise. Das ist nicht so greifbar wie der Wunsch nach mehr Geld für harte Arbeit oder nach mehr Wertschätzung für den eigenen gesellschaftlichen Beitrag.
Ein übersehener Faktor, der zur unterschiedlichen Bewertung beiträgt, ist die Soziodemografie der beiden Proteste. Die Letzte Generation, das sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Dieser Gruppe wird seit einigen Jahren systematisch die Kompetenz abgesprochen: „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen“, sagte Christian Lindner 2019 mit Blick auf bundesweite Klimaproteste. Das, so Lindner, sei „eine Sache für Profis“. Dann kam die Coronapandemie und die Jugendlichen galten als überkochende Infektionsherde. Sie hätten rücksichtslos Ältere angesteckt, sich über Ausgangssperren und die Regeln für Haushalte hinweggesetzt.
Es ergibt sich also folgendes Bild: Jugendliche und junge Erwachsene sind ahnungslos und rücksichtslos. Deshalb ist es etwas ganz anderes, wenn sie die Straßen blockieren. Die Bauernproteste zeigen, dass die Letzte Generation, Fridays for Future und Co. vor einem demografischen Dilemma stehen, das einen Namen hat: Jugendfeindlichkeit.
Deswegen.
Ein anderer Faktor, der dafür sorgt, dass die Proteste der Landwirte ernster genommen werden, ist, dass die Landwirte mit ihren Maschinen Präsenz zeigen - hunderte Traktoren beeindrucken mehr als hunderte Menschen mit einer Warnweste.
Und was auch noch hinzukommt, ist, dass der Klimawandel für viele Leute noch immer nicht greifbar - also zu abstrakt - ist. Das eine Wochenende letzten Sommer musste man schließlich eine Jacke tragen! Aber wenn es beim Bäcker/ Metzger (also dem, zu dem die Leute natürlich immer alle hingehen anstatt Abgepacktes im Supermarkt zu kaufen - darum schließen die ja auch reihenweise, weil die dem Ansturm der Kunden nicht mehr Herr werden /s) kein Brot/ Fleisch mehr gibt, wie die Bauern behaupten, dann ist die Gefahr viel realer.
Ich würde noch den Machtfaktor hervorheben: Hinter den Bauern steht eine ganze Industrie die enorme politische Macht bündelt und die Proteste nutzt um Stimmung zu machen. Die Klimabewegung hat das nicht.